Schalenamöben

Familie Euglyphidae

Euglyphaschalen sind abgeflacht, meist klein (unter 100 µm hoch), farblos-transparent, und die feinen Strukturen im normalen Durchlicht schwierig zu fotografieren.

Alle haben ihr Gehäuse mit selbstfabrizierten Schuppen kettenhemdartig bedeckt, einige haben besonders geformte, gezahnte Schuppen um die Mundoffnung herum.
Einige tragen Dornen, diese sind ein meist brauchbares Unterscheidungsmerkmal. Wegen der Schönheit und Regelmäßigkeit der Schuppenanordnung taufte Felix Dujardin 1841 die Gattung 'Euglypha' (= die schön Geschnitzte).

Interessant sind Euglypha auch als Lieferanten der Nebela-Bausteine.


Euglypha compressa, 114 µm hoch, enzystiert.
 
Euglypha strigosa, 92 µm hoch.
(kürzere Dornen als E. compressa, über die ganze Schale)
E. compressa, 110 µm,
Burgwald.
Verwechslung möglich mit Placocista spinosa, aber Stacheln über das gesamte Gehäuse und euglypatypische Zähne um die Mundöffnung.
Euglypha cf. strigosa, 88 µm hoch.
Weidmoos, Österreich.
Euglypha cf. strigosa, 77 µm hoch.
Dennenlohe.

Vermutlich Euglypha dickensii,
84 µm hoch. Sie unterscheidet sich von den anderen dornentragenden Euglypha dadurch, dass die Dornen hier verlängerte Körperschuppen sind (s. Detailbild unten). Die Dornen sind bis doppelt so lang wie eine Körperschuppe. Alleinstellungsmerkmal für E. dickensii sind einzelne solcher Dornen auf halber Höhe.
E. dickensii haben gelegentlich eine zweite Reihe Aperturschuppen.




Euglypha acanthophora

[acanth = Stachel, Dorn; phor = tragen]


Zeichnung aus Cash/Wailes 3

Schale nicht abgeflacht, Öffnung rund. Meine Messungen 63 bis 79 µm hoch.

Wie bei allen Euglypha sind die Schuppen im Durchlicht schwer zu fotografieren.





 


2022 fand ich in einer Torfmoos-Probe eine Vielzahl von enzystierten Euglypha acanthophora. Bei allen befand sich die eigentliche kugelige Zyste in einer mit Reserveplättchen bedeckten eiförmigen größeren Umhüllung, einer kleinen Kopie der Schale.



Joseph Leidy beschrieb und zeichnete diese Form der Zyste bereits 1879:

"Bei einigen Exemplaren, wie abgebildet, war die Sarkode-Masse innerhalb der eiförmigen Schale zu einem nahezu kugelförmigen Ball zusammengezogen und mit einer ausgeprägten homogenen Membran umgeben."



Und 1902 fand Eugène Penard in einer Probe ebenfalls solche enzystierte Organismen in großer Zahl:



Übersetzt: "... eine große Anzahl von enzystierter Individuen. Die durch ein quer verlaufendes Diaphragma geschützte Schale enthielt eine eiförmige Cyste von violettem Gelb, die aus kleinen dicken Schuppen gebildet war, die fest und regelmäßig geschuppt waren. Innerhalb dieser ersten Zyste befand sich eine zweite, kugelige, von einer hyalinen Membran umgebene, die ihrerseits ganz oder teilweise (z. B. auf einer Halbkugel) mit einer rauhen Haut bedeckt war, die mit sehr feinen Körnungen oder Staub von rosa-braun unterbrochen war . Das Innere war gefüllt mit gelblich glänzenden Körnern (Ausscheidungskörner?), dann Stärke; manchmal, aber selten, war ein Kern zu sehen, mit Nukleolen, die in den Kernsaft eingebettet waren. Endlich war diese kugelige Masse oder echte Cyste mit der eiförmigen äußeren Cyste verbunden, und zwar immer am kleinen Ende der letzteren, durch einen Stiel oder eine bläuliche Säule, starr im Aussehen, sehr dick und die aus geronnenem Plasma zu bestehen schien."

Th. Grospietsch schreibt 1958 "Euglypha lagert an der Außenseite ihrer Zyste auch die zur Schalenbildung benutzten Kieselplättchen auf". Wilfried Schönborn beschreibt diese spezielle Zystenform der E. acanthophora 1966.

Diese Form der Enzyistierung ist soweit mir bekannt bisher nur bei dieser und einigen nahe verwandten Arten beobachtet worden.
 

Euglypha acanthophora, enzystiert, 75 µm, gestackt, Dekomoos.
rechts das gleiche Exemplar schief beleuchtet.
Ich vermute Beginn einer Zystenbildung.
Sehr große Kugelzyste.
Dieses Exemplar wurde vom Öl-Objektiv zum Zerplatzen gebracht. Die Aufnahme zeigt aber viele Details. Die Schuppen der äußeren Schale waren sehr hell durchscheinend. Penards Stiel ist deutlich zu sehen, ebenso Einzelheiten der Wände der beiden ineinander angelegten Zysten.
 

Die beiden letzten Exemplare zeigen den von Penard beschriebenen Stiel.

Der Torfmoosbehälter steht inzwischen seit über einem Jahr im Freien, war zwischenzeitlich völlig durchgefroren, im Sommer völlig ausgetrocknet, das Moos abgestorben. Dennoch enthält die Probe weiterhin zahlreiche lebende Zysten. Offenbar stellen diese Zysten ein Überlebenskonzept für lange Zeiträume dar.

Der Bulgarische Biologe Methodi Popoff glaubte 1912:

  1. Das Tier verkapselt sich, der Zellkern teilt sich wiederholt und es entsteht eine große Anzahl winziger Tochterkerne.
  2. Die Zytoplasmafragmente und ein kleiner Teil davon umgeben jeden Tochterkern und so entstehen viele winzige Tiere.
  3. Unter günstigen Umständen platzt die Zyste und diese kleinen Tiere kommen heraus und wachsen zum Erwachsenenstadium heran.

Th. Grosspietsch 1958: "[...] konnte nachgewiesen werden, dass die früher als Gameten (Keimzellen) angesehenen Bildungen in Wirklichkeit auf dem Vorhandensein von Parasiten beruhen."


 

Die obige E. compressa,
in der Seitenansicht.
Hier sieht man die Reserveplättchen für die zukünftige Tochterzelle.

Unter schiefer Beleuchtung
Dachziegelartig überlappende Schuppen, runde gezähnte Öffnung.

Euglypha cristata, 50 µm hoch,
16 µm breit. Strawiesen, Österreich.

cristatus = mit Helmbusch, Schopf.

Die kleinsten Euglypha sind E. laevis, Größe meist unter 50 µm.
links zwei enzystierte Exemplare.





Euglypha laevis gelten als Erstbesiedler zeitweilig trockener Kleingewässer (Grospietsch), mit weltweiter Verbreitung.

Diese Exemplare (‹ 50 µm) fand ich im Regenwasser.