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Evolution  (Forts.)

Die durch Fossilien belegte, unverzweigte Linie der Hydrodamalinae*)nach Domning, 1978:
Art Zeit ca.. Eigenschaften
Dusisiren reinharti Frühes/mittleres Myozän dugonggroß, Stoßzähne
Dusiren jordani 10-12 mya Körper größer, keine Stoßzähne mehr.
Dusisiren dewana 9-10mya Zähne und Finger erheblich reduziert, Handwurzel verändert
Hydrodamalis cuestae 3,6 - 1,8 mya Körpergröße gegenüber Vorgängerart verdoppelt, bis 10 Meter lang, vermutlich keine Fingerknochen,Zahnspuren nur noch bei Foeten.
Hydrodamalis gigas ~200.000 Jahre
(ausgestorben)
Bis ca. 8 Meter lang, Zähne fehlen völlig, keine Fingerknochen

Der Lebensraum der Stellerschen Seekuh wurde der flache, felsige, turbulente Uferbereich des kalten Nordpazifik bis zur Treibeisgrenze. Dort konnte sie mit den zu Stummelfüßen umgestalteten Vordergliedmaßen langsam zwischen den Steinblöcken herumwandern und mit ihnen die von Boden hochwachsenden Braunalgen losscharren, oder diese mit den borstigen Lippen direkt abrupfen (Kopf und Hals waren recht beweglich). Ihre Nahrung schluckten sie wahrscheinlich fast unzerkleinert herunter.
Tauchen, um tiefer wachsenden Tang abzuweiden, konnte sie wahrscheinlich nicht mehr, sie war zu leicht geworden. Rücken und ein Teil des Rumpfes ragten stets aus dem Wasser, wo sie Sonnenwärme aufnahmen, und Möwen sie von Parasiten befreien konnten. Von Zeit zu Zeit bewegte sie sich durch Seitwärtsbewegung des Hinterendes ein Stück weiter, nur zur schnellen Flucht wurde die Schwanzflosse auf und ab bewegt*)Steller, Meeresthiere, S. 66.
Die Art war fast wieder bei der amphibischen Lebensweise angekommen, mit der die Karriere der Seekühe 50 Millionen Jahre vorher begonnen hatte.
Diese Anpassungen geschahen über lange Zeiträume in kleinsten Schritten. Die Zwischenstadien konnten anhand vieler Skelettfunde nachvollzogen werden. Sie bevölkerten die Küsten von Kalifornien über Alaska und Kamtschatka bis Japan. Das Ende dieser Entwicklungskette bildete das unförmige Tier, das Steller entdeckte, und das es heute nicht mehr gibt. Die Stellersche Seekuh teilte ihr Schicksal mit den anderen riesenwüchsigen Tierformen, die vor 20.000 Jahren die Erde bevölkerten, und 10 000 Jahre später weitgehend ausgestorben waren. Die Wissenschaftler bringen die möglichen Ursachen hierfür auf die griffige Formel: "kill, chill and ill" (Jagd durch frühe Menschen, Klimaänderung und Krankheiten).
Karte der Beringsee Vor etwa 40.000 Jahren wanderte Homo sapiens in Ostsibirien ein und überquerte von dort in mehreren Wellen bis vor etwa 12.000 Jahren die damals trockene Beringstraße. Es ist zu vermuten, dass seit dieser Zeit auch die großen Seekühe des Nordpazifik unter immer größeren Bejagungsdruck geraten sind. Ob diese Tatsache allein die Population bis auf diesen kleinen Restbestand bei den unbewohnten Kommandeursinseln (und möglicherweise bis ins 18. Jahrhundert die westlichen Alëuten) dezimieren konnte, ist nicht sicher.
Vor etwa 10.000 Jahren endete die letzte Eiszeit, der Meeresspiegel hob sich um über 100 Meter, und die Beringstraße war wieder offen. Kaltes arktisches Wasser floss in die Beringsee, und es wurde ungemütlich für die Seekühe.
Jetzt aber konnten die unbeweglichen Tiere ihre letzte Zuflucht bei den Kommandeursinseln nicht mehr verlassen. Somit war ihr Schicksal wohl besiegelt. Daryl Domning*)1978, S. 96 vermutete, dass dieser Restbestand bereits eine Kümmerform darstellte, die durch die extremen Lebensverhältnisse nicht mehr ihre potentielle Größe erreichte.
Wie es scheint, war diese beeindruckende Tierart im Begriff, auf natürlichem Wege auszusterben. Sie war zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung in ihrem Bestand bereits massiv geschwächt. Die Evolution, die Lebensumstände, sowie die sirenen-typisch niedrige Reproduktionsrate, hatten sie in eine Sackgasse geführt. Auch wenn im 18. Jahrhundert die Pelztierjäger die Kommandeurs­inseln nicht heimgesucht hätten, würde es die Art heute nicht mehr geben.




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