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Die Evolution der Stellerschen Seekuh
Als der Superkontinent Pangäa vor etwa 180 Millionen Jahren auseinanderbrach, lebten auf den nach Süd und Nord auseinanderdriftenden Riesenschollen Gondwana*)Afrika, Südamerika, Australien, Antarktis, Indien und Laurasia*)Europa, Nordamerika, Asien ohne Indien im Schatten der Dinosaurier bereits seit etwa 50 Millionen Jahren kleine, urtümliche Säugetiere*)wie das spitzmausähnliche kletternde Eomaia
Image: Wikipedia
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Auf den voneinander getrennten Kontinenten entwickelten sich aus diesen archaischen Säugern die heutigen Ordnungen der Säugetiere. Im über Jahrmillionen isolierten Afrika war so bereits vor etwa 100 Millionen Jahren die skurrile Überordnung der Afrotheria entstanden: die späteren Elefanten, Schliefer und Seekühe. Die Afrotheria sind damit die älteste Gruppe der Höheren Säugetiere*)der Plazentatiere oder Eutheria.
Vor etwa 65 Millionen Jahren schlug ein 10 Kilometer großer Meteorit in den Golf von Mexiko und löste eine Umweltkatastrophe aus, in deren Folge die Dinosaurier ausstarben. Jetzt war die Stunde der Säugetiere gekommen, ihre Arten- und Individuenzahl explodierte, und sie besetzten die freigewordenen ökologischen Nischen.

Zur Orientierung:
die Zeitalter des Känozoikum
Tertiär Quartär
Paläozän Eozän*)Nach Eos, Göttin der Morgenröte:
Auftauchen der modernen Säugetierfauna
Oligozän Miozän Pliozän Pleistozän Holozän
65-56
Mio
56-34
Mio
34-23
Mio
23-5
Mio
5-1,8
Mio
1,8-0,01
Mio
10 000
-heute

Der Ursprung der Sirenen liegt im Dunklen. Sie tauchten unvermittelt annähernd in ihrer heutigen Form im mittleren Eozän auf.
"Die letzte gemeinsame Stammart der Rüsseltiere und Seekühe lebte wahrscheinlich bereits in der Oberen Kreide vor über 65 Mio. Jahren. Da die frühesten fossilen Rüsseltiere heutigen Flußpferden ähnlich waren, und selbst heutige Elephanten Merkmale aufweisen, die eine ursprüngliche Lebensweise im Wasser erkennen lassen, gehen Wissenschaftler davon aus, dass Seekühe zum ausschließlichen Wasserleben übergingen, während die Elefanten das feste Land besiedelten."*)nach "Marina und andere Elefanten, Sonderausstellung des Phyletischen Museums Jena"
Die ältesten, etwa 50 Millionen Jahre alten Seekuhfossilien wurden 1855 auf Jamaika gefunden, sie bestanden aus einem unvollständigen Schädel und dem ersten Halswirbeln eines Tieres, welches R. Owen Prorastomus sirenoides nannte.
While modern sirenians are fully aquatic, the 1.5 metres (5 ft) Prorastomus was predominantly terrestrial, judging from the structure of its skull. Judging from its crown-shaped molars and the shape of its snout, it fed on soft plants.
In der 'Encyclopedia of Marine Mammals' von 2002 heißt es (übersetzt):
"Dieses Vorkommen im westlichen tropischen Atlantik überrascht, da angenommen wird, daß der Ursprung der Tethytheria*)Taxon unter der Überordnung Afrotheria, beinhalten Rüsseltiere und Sirenen im östlichen Tethismeer lag."
Fossilienfunde im nördlichen Amerika aus dem Eozän lassen vermuten, daß diese (noch) landabhängigen Arten die Neue Welt über den Atlantik (und nicht über die Beringbrücke) besiedelt hatten. Dort gab es möglicherweise vor 50 Millionen Jahren eine Landbrücke auf Höhe des zu der Zeit tropischen Grönland*)die hypothetische North Atlantic land bridge (NALB–zwischen Nordeurope and östliches Nordamerika).
Im Jahr 2001 dann konnte ein Team um Daryl Domning

Rekonstruktion eines Prorastomus
(Quelle Wikipedia)

Zeichnung des Skeletts der Pezosiren
Pezosiren portelli
(nach D. Domning)
ebenfalls auf Jamaika ein fast komplettes Skelett eines Prorastomus- Verwandten aus der gleichen Epoche ausgraben. Man nannte das etwa 2 Meter lange Tier Pezosiren portelli. Es besaß noch Vorder- und Hinterbeine, mit denen es sich wohl auch an Land bewegen konnte. Der schwere Knochenbau und andere Merkmale lassen aber darauf schließen, dass sich das Tier fast ausschließlich im Wasser aufhielt. Hier ist also der missing link, der Beweis, dass die Seekühe aus landbewohnenden Tieren hervorgegangen sind, die in einem langen evolutionären Prozess zu Meeresbewohnern wurden, um sich neue Nahrungsquellen zu erschließen.
Die Seekühe entwickelten sich dann sehr erfolgreich und bevölkerten im Oligozän in großer Arten- und Individuenzahl alle warmen flachen Meere. Der Schwanz, ursprünglich nur zur Steuerung benutzt, verbreiterte sich zu einer kraftvollen, querstehenden Fluke, und die hinteren Gliedmaßen bildeten sich fast völlig zurück.

Kladogramm*)Darstellung der Verwandtschaftsverhältnisse anhand gemeinsamer Eigenschaften der Sirenen

Kladogramm der Sirenen
 (public access image, Prorastomus picture added by H. Rothauscher)
Die Sirenen waren immer Vegetarier und extreme Nahrungsspezialisten und passten im Laufe der Jahrmillionen Schädel und Gebiss der jeweiligen Hauptnahrung an*)die Bodenwühler Dugongs entwickelten z.B. nach unten gebogene Schnauzen.
    Manatis, welche schwimmende oder an der Oberfläche treibende, faserreiche Pflanzen fressen, haben eine gerade Schnauze und können die abgenutzten Backenzähne ersetzen.
. Die Oberlippe aller Afrotheria ist rüsselartig und beweglich, bei den Seekühen ist sie ein universelles Tast- und Greiforgan. Alle Arten waren zunächst annähernd so groß wie die heute lebenden Manatis und Dugongs. Ihre schweren Skelette sind sehr dauerhaft und so sind viele Fossilien überliefert.
Im frühen Miozän wanderte die Dugongart Dusisiren reinharti aus der Karibik durch die damals offene mittelamerikanische Passage in den Nordostpazifik und entwickelten sich dort isoliert weiter als neue Unterfamilie der Hydrodamalinae.
Gegen Ende des Miozän kühlte die Erde erheblich ab. Seegras, die Hauptnahrung der Sirenen, verschwand im Nordpazifik, und große Braunalgen breiteten sich stattdessen aus. Unsere Hydrodamalinae passten sich dem geänderten Nahrungsangebot und den Belastungen des kälteren Lebensraums an.
Die Körpermasse nahm zu, eine Fettschicht unter einer dicken Haut verminderte den Wärmeverlust. Die Tiere wurden riesengroß. Gleichzeitig verloren die ehemals kräftigen Backenzähne bei der weichen Kelpnahrung an Bedeutung und bildeten sich zurück.




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