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Verhalten
Sommer auf der Bering-Insel vor dreihundert Jahren:
Das Meer ist ziemlich ruhig. Beinahe hundert Seekühe schwimmen in dieser Bucht, überall in der Nähe des Ufers bewegen sie sich langsam zwischen den Felsbrocken durch das flache Wasser. Die Rücken und Flanken sind dabei ständig sichtbar, darauf reiten Möwen und suchen die borkige Haut nach Parasiten ab. Die Seekühe sind bei ihrer Hauptbeschäftigung: Fressen!
Kondakoff-Bild
Gemälde von N.N. Kondakov (1967)
Wie Rinder grasen sie, wandern langsam mit ihren Vorderbeinen über den Grund und bewegen dabei den Kopf unter Wasser hin und her. Mit den kurzen hufähnlichen Armen scharren sie die großen Pflanzen von den Steinen, die beweglichen, rüsselförmigen, borstigen Ober- und Unterlippen befördern sie dann unter ständigem Kauen in den Schlund. Hin und wieder schwimmen sie mit einer ruhigen Seitwärtsbewegung der riesigen Schwanzflosse ein Stück weiter. Hinter sich lassen sie Placken ausgerissener Pflanzen, die langsam ans Ufer treiben.
Alle 4 bis 5 Minuten heben sie kurz die Nasenlöcher aus dem Wasser und atmen mit einem rauen Schnarchton. Sonst sind sie stumm. Einige haben eine ruhige Bucht aufgesucht, ruhen sich dort auf dem Rücken liegend aus und lassen die arktische Sommersonne auf den dicken Bauch scheinen. Ist die See unruhiger, schwimmen sie langsam vorwärts, um manövrierfähig zu bleiben und nicht von den Wellen umhergeworfen zu werden.
In der Menge unterscheidet man Familiengruppen: Männchen, Weibchen, ein Jungtier und ein Heranwachsendes aus dem vorherigen Wurf. Die Eltern nehmen ihren Nachwuchs in die Mitte oder treiben ihn vor sich her und sorgen so dafür, dass er in Ufernähe bleibt und nicht ins offene Meer schwimmt.
Diese Idylle endete jäh mit Ankunft der Menschen auf den Kommandeursinseln. Bei der Jagd nach ihnen machte Steller erstaunliche Beobachtungen. Die Tiere kannten keine Angst vor Menschen, diese konnten zwischen ihnen herumwaten und Harpunen aus nächster Nähe in die Körper stoßen. Dann aber sammelten sich Artgenossen, um dem bedrohten Tier zu helfen. Sie versuchten, manchmal mit Erfolg, es vom Ufer wegzudrängen, das Boot der Jäger umzuwerfen, oder sie legten sich auf das Harpunenseil, um den Artgenossen davon zu befreien. Ein Männchen blieb einmal, nachdem sein Weibchen harpuniert und an Land gezogen worden war, noch zwei Tage in der Nähe der am Ufer liegenden Schlachtreste. Die Tiere lernten jedoch nichts aus diesen Erlebnissen und versammelten sich stets wieder an den Plätzen, an denen ihre Artgenossen noch kurz vorher getötet worden waren.
Außer den Menschen hatten die Seekühe wohl kaum Feinde, obwohl sicherlich Schwertwale den Jungen gefährlich werden konnten. Allerdings quälten sie zahllose innere und äußere Parasiten. Im Winter erstickten Tiere unter Eis, oder sie wurden in der Brandung auf Felsen geschmettert. Steller fand hoch im Inneren der Insel Skelette von Tieren, die bei Sturmfluten angespült worden waren.
Sven Waxell schrieb an einer Stelle:
"Einmal töteten wir ein Seekalb, das bei Ebbe zwischen einigen Felsen auf dem Trockenen zurückgeblieben war und nicht wieder hinauskommen konnte. Es wog zirka 1200 Pfund"



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