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Aussterben (Forts.)
Der norwegisch-amerikanische Zoologe Dr. Leonard Stejneger hat das Ende der Spezies 1887 in "How the Great Northern Sea-Cow became exterminated" wie folgt kalkuliert:
Da Steller keine Zählung des Bestandes vorgenommen hatte, schätzte Stejneger die Gesamtpopulation zur Zeit ihrer Entdeckung anhand der geographischen Gegebenheiten auf 1.500 bis höchstens 2.000 Individuen (etwa 15 Stellen um die Insel herum boten eine geeignete Lebensgrundlage für etwa je 100 Tiere).
In den Jahren 1743 bis 1763 überwinterten auf der Bering-Insel nach­weis­lich 19 Pelz-Expeditionen mit insgesamt etwa 670 Mann*)Stejneger vermutete, dass die tatsächlichen Zahlen wesentlich höher waren. Stejneger errechnete, dass für die Verproviantierung dieser Gruppen etwa 500 Tiere harpuniert werden mussten. Er schätzte, dass darüber hinaus weitere 1000 oder mehr Tiere bei den von Yakovlev beschriebenen sinnlosen Massakern durch die kleinen Jagdgruppen verschwendet wurden.
Nach 1763 lohnte sich die Seekuhjagd wohl nicht mehr. Während einer Überwinterung 1767/68 wurde wahrscheinlich das letzte Tier harpuniert. Martin Sauer, Chronist der Billing-Expedition 1785-1794, schrieb 1802 in seinem Expeditionsbericht:
"Seekühe waren ehedem auf der Küste von Kamtschatka und den Aleutischen Inseln sehr häufig; aber im Jahr 1768 tödtete man das letzte Thier dieses Geschlechts auf Beringsinsel, und seitdem hat man in diesen Gegenden keine mehr gesehen."
Von Baer*)1840 und J.F. Brandt*)1846 ermittelten ebenfalls das Jahr 1768 als wahrscheinlichen Zeitpunkt des Aussterbens.
Der Schwedische Baron Erik A. Nordenskiöld glaubte, dieses Datum widerlegen zu können. Während seiner Vega-Expedition 1879 (der ersten Bezwingung der Nordostpassage), an deren Ende er sich fünf Tage auf der Beringinsel aufhielt, berichteten ihm Einwohner, dass noch im Jahr 1854 eine lebende Seekuh gesichtet worden sei.
Stejneger befragte drei Jahre später die gleichen Inselbewohner eingehend. Er kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem im Jahr 1854 gesichteten Tier wahr­scheinlich um einen weiblichen Narwal gehandelt hat. Stejneger*)1887:
"Es ist uns gelungen, Sauers Annahme zu untermauern, dass die Rytina im Jahr 1768 ausgerottet worden ist!"
Die meisten Autoren machen allein die verschwenderische Jagd, den "Overkill", für das Aussterbens verantwortlich. Es gibt aber Überlegungen, dass nicht die Jagd allein eine Art in so kurzer Zeit bis auf das letzte Tier ausrotten könne.
Savinetzky zum Beispiel vermutete, das der Kälteeinbruch der Kleinen Eiszeit im 16. bis 19 Jahrhundert das Aussterben beschleunigt hatte:
"The discovery of the Steller's sea cow in the Commandor Islands in the middle of the 18th century supports the idea of a decline in population because of unfavorable conditions (Little Ice Age). That is why it took only 27 years for their complete extermination."
Paul Anderson*)1995 dagegen sieht komplexere Zusammen­hänge, die Jagd allein hätte die Seekuhpopulation der Kommandeursinseln nicht so schnell und radikal auslöschen können: In der Regel halten Seeotter die Bestände der algenfressenden Seeigel der Uferzone unter Kontrolle. Die russischen Jäger aber hatten die Otter der Kommandeursinseln bereits in den ersten 10 Jahren ausgelöscht. Daraufhin dürften sich die Seeigel in wenigen Jahren explosions­artig vermehrt und die Algen des flachen Wassers radikal dezimiert haben. Die letzten Seekühe sind möglicherweise verhungert.

Es gibt bis in die heutige Zeit Meldungen angeblicher Sichtungen aus weltabgeschiedenen Gegenden des Nordmeeres. Zum Beispiel wurden 1962 in der Bucht von Anadyr (nördlich von Kamtschatka) seekuhähnliche Tiere gesehen, und ein russischer Fischer behauptete 1977, vor Kamtschatka eine treibende Seekuh berührt zu haben. Alle derartigen Berichte hielten jedoch einer Überprüfung nicht stand (Heptner 1974).
Rudyard Kipling greift in seinem Märchen 'die weiße Robbe' diese Erzählungen auf und fabuliert, daß sich die Seekühe in eine für Menschen unzugängliche Bucht, weit nördlich von der Kupferinsel gelegen, gerettet haben, welche nur durch einen Unterwassertunnel erreicht werden kann.



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