Sirenen-Mythologiein unbekleidetes Mädchen mit verführerischen Kurven, die in einem Fischschwanz enden. So hat sie in den Legenden mediterraner, afrikanischer und südamerikanischer Völker gelebt. Aeneas, Horaz und Ovid beschrieben sie, der Irrfahrer Odysseus hat sie besucht, und unzählige Renaissancekünstler haben sie gemalt: Zwiefache Wesen, oberhalb der Gürtellinie Mensch und untenherum Fisch.
Welche Enttäuschung für den ersten neuzeitlichen Beobachter! Christoph Kolumbus notierte: »In einer Bucht an der Küste von Hispaniola sah ich drei Sirenen; aber sie waren längst nicht so schön wie die des alten Horaz«. (n.b. Kolumbus sah die etwas plumpere Karibische Seekuh) Wie kamen eigentlich die alten Dichter dazu, ausgerechnet ein so unförmiges Tier zu einem berückenden Meermädchen zu verklären, oder zu grausamen Meerweibern, die die betörten Opfer in der Umarmung erdrosseln, zu Tritonen, Satyrn und geschwänzten Mönchen? Interessanterweise hatten die Sirenen der alten Griechen ursprünglich einen Vogelunterleib. Den Fischschwanz erhielten sie erst später. Vermutlich haben griechische Seeleute die Sirenenlegende erfunden. Dugongs hat es zur Antike an den Küsten des Roten Meeres und des Indischen Ozeans gegeben, und die griechischen, phönizischen und ägyptischen Seefahrer konnten die Tiere in den arabischen Gewässern beobachten. Sieht man aber die Tiere von einem höheren Standpunkt, z.B. von einem hohen Felskap oder dem Mastkorb eines Seglers aus vorbeiziehen, schwimmen da elegante schlanke Wesen mit ruhigen, kraftvollen Flossenschlägen vorbei. Einige menschenähnliche Merkwürdigkeiten unterscheiden diese Sirenen von den anderen bekannten Meerestieren: Ihre Zitzen sitzen deutlich vorn am Oberkörper. Verglichen mit den anderen Meeressäugern sind die vorderen Gliedmaßen durch das ausgeprägte Ellbogengelenk deutlich armartig. Bei Erregung treten ihnen Tränen in die Augen. Und wie eine Dugongmutter ihr saugendes Kind in den Arm nimmt und an die Brust drückt, rührte wohl auch schon die rauhen hellenischen Matrosen. Die Seefahrer der Antike dachten nach der Heimkehr von ihren Fahrten wohl an diese Beobachtungen. Ihre Schilderungen waren dementsprechend - die Sirene war geboren. Altgriechisches Seemansgarn? Bekanntlich wandern Sagen und Märchen während der Jahrhunderte und Jahrtausende über die Grenzen der Kulturkreise und verändern sich dabei ständig. Der Sirenenmythos reicht wohl viel weiter zurück als nur ins antike Griechenland. | ||||
Auf ein anderes interessantes Detail aus der früheren menschlichen Geschichte machten mich Leser der Dugong-Seiten aufmerksam: Im 2. Buch (Exodus) erhielt Moses den Auftrag zur Errichtung des ersten Tabernakel (Tempelzelt, "Hütte des Stifts"). In den ausführlichen Bauanleitungen stand unter anderem, daß das äußere Dach der inneren Hütte aus einer bestimmten Tierhaut bestehen sollte (die genaue Übersetzung des entsprechenden hebräischen Wortes tahasch ist heute nicht mehr bekannt - aus Wikipedia). In einigen Sprachversionen der Bibel ist da die Rede von Seekuhfell. Nach anderen Versionen sollten Delfinhäute, Seehundshäute oder, bei Luther, Dachsfelle benutzt werden. Wir werden wohl nicht erfahren, welches Material die ursprüngliche Bauanleitung vorsah. Ältere wissenschaftliche Namen für den Dugong bekräftigten die Seekuh-Version, E. Rupell nannte ihn Halicore tabernaculi. |
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23 Jan 00 letzte Änderung 14 Mai 01 |